Die Fahrradstadt Kiel
© Landeshauptstadt Kiel
Mehr Radschnellverbindungen, mehr Rücksicht auf Lastenräder, Ausbau von Fahrradparkplätzen, möglichst getrennte Wege für Räder und Autos – wer meint, dass das nur eine „grüne Idee“ sein könne, der irrt. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat diesen neuen Fahrradplan für Deutschland verkündet und will dafür bis 2023 etwa 1,46 Milliarden Euro ausgeben. Was bedeutet dieser Vorschlag des CSU-Ministers für Kiel? Kerstin Graupner hat sich auf die Suche nach Antworten gemacht.
Sowohl auf dem Land als auch in Städten müsse der öffentliche Raum zugunsten der Radfahrer verändert werden, heißt es im Nationalen Radverkehrsplan. „Dafür werden die Flächen – auch zulasten des Kfz-Verkehrs neu verteilt“, kündigt Scheuer an. Und nicht nur das. Der Verkehrsminister kann sich auch vorstellen: „… dass auch mal ein Parkplatz für neue Radwege wegfällt“.
Außerdem will er, dass sich der Radverkehr in Deutschland bis 2030 verdoppelt auf 224 Millionen zurückgelegte Kilometer pro Tag. Dafür soll der durchschnittliche Deutsche nicht mehr wie heute nur 120 Mal pro Jahr aufs Rad steigen, sondern künftig 180 Mal. Die zurückgelegten Strecken sollen vom im Schnitt 3,7 Kilometer auf dann sechs Kilometer steigen. Die Prognose der Bundesregierung besagt, dass die Deutschen 50 Prozent häufiger auf das Rad steigen als heute. Als Richtwert für die finanzielle Förderung des Radverkehrs nennt Scheuer den Betrag von 30 Euro pro Person und Jahr bis 2023.
Kiel kann da schon ganz gut mithalten. Der Radverkehr nimmt in Kiel 22 Prozent des Gesamtverkehrs ein. Damit hält Kiel bei den untersuchten Städten eine Spitzenposition, wobei die Werte von 16 Prozent (Bischofswerda) bis 31 Prozent (Karlsruhe) reichen. Ziel ist es in Kiel, den Anteil bis 2025 auf 25 Prozent und bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen.
Die erste Fahrradstraße wurde in Kiel 1992 ausgewiesen. Damit gehörte die Landeshauptstadt zu den Pionieren.
Fahrradstraßen haben in Kiel Tradition. Erstmals wurden im Jahre 1992 Fahrradstraßen mit Sondergenehmigung der obersten Straßenverkehrsbehörde ausgewiesen (Hansastraße und Niebuhrstraße). Die Stadt an der Förde gehört damit zu den Pionieren bei der Ausweisung von Fahrradstraßen.
Derzeit gibt es 29 Fahrradstraßen mit einer Gesamtlänge von 20 Kilometern. Sie sind Bestandteil von zahlreichen Velorouten, die die Stadt erschließen. 1995 ging die erste Veloroute in Betrieb. Vor zwei Jahren fertig gestellt wurde die Veloroute 10 auf der Trasse des ehemaligen Gütergleises West – ein herausragende Fahrrad-Verkehrsprojekt auf dem Kieler Westufer. Geplant und umgesetzt wird derzeit die Premiumroute 1, die rund um die Förde die Stadtteile Schilksee und Dietrichsdorf verbindet. Der größte Abschnitt ist dabei die „Premiumroute Werftstraße“. Der Baubeginn wird im zweiten Quartal 2022 liegen, abgeschlossen ist die Baumaßnahme voraussichtlich 2025.
Die Hauptaufgabe der kommenden Jahre wird sein, das Kieler Radwegenetz an die neuen Anforderungen anzupassen. Die Zahl der Radfahrer*innen steigt stetig an, deutlich mehr Menschen nutzen motorisierte Fahrräder (Pedelecs, E-Bikes) und legen damit weitere Strecken zurück. Auch ältere Menschen sind inzwischen vermehrt mit dem Rad unterwegs. Dazu kommen immer mehr Lastenräder und Radanhänger, die eine größere Breite beanspruchen. Bei Neuplanungen von Radwegen ist daher zu berücksichtigen, dass auch sie ausreichend Platz haben.
Ausführlich beschreibt eine Geschäftliche Mitteilung zur Verkehrswende in Kiel, was in der Landeshauptstadt rund um den Radverkehr geplant ist. Sie wird am 20. Mai 2021 der Ratsversammlung vorgestellt. Ohne dass die Kieler Verwaltung die Ideen des Bundesverkehrsministers kannte, hat sie viele seiner Planungen bereits im Vorfeld regional umgesetzt und übernommen. Nur in einem Punkt bleibt die Verwaltung vorsichtig: Über den Vorschlag des CSU-Ministers, Parkplätze in Radwege umzuwandeln, lässt sie lieber die Ratsversammlung debattieren.
Titelbild: Landeshauptstadt Kiel
Liebes Team vom Kielmobil.blog!
Dieser Blog erfreut mich. Ich lese die Beiträge gerne und auch kritisch.
Es wird viel über die Velorouten und Fahrradstrassen geschrieben. Vielleicht wäre es sinnvoll und zielführend eine aktuelle VeloKarte mit allen Routen und Fahrradstrassen zu publizieren …
Auf die VeloRoute 1 freue ich mich sehr sowie auf den Ausbau der Werftstr. in der kommenden Zeit.
Lasst uns 60% Radverkehr anstreben !!
Beste Grüße
Sven
Hallo Herr Lütt, vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Wir werden Ihr Anliegen weiterreichen und versuchen, auf dem Blog eine entsprechende Karte zu veröffentlichen. Bis dahin kann ich Sie aber schon auf die Homepage der Landeshauptstadt Kiel verweisen. Hier finden Sie viele Informationen über die Velorouten in Kiel und auch eine entsprechende Karte.
Liebes Team von Kielmobil,
vielen Dank für die vielen Infos zur Mobilitätswende in Kiel. Gerade für das Fahrradfahren hat Kiel bisher schon viel geleistet. Hervorzuheben sind besonders die vielen Velorouten. Leider wird allerdings die Querung der Förde bisher zuwenig mitgedacht. Es ist zwar ein guter erster Schritt, dass die Fördelinie 1 jetzt häufiger fährt und Fahrräder kostenlos befördert werden. Leider gibt es diese Verbindung bisher nur werktags und nicht am Wochenende.
Eine schnelle Verbindung von der Kieler Mitte nach Heikendorf für Fahrräder als Ergänzung der Velorouten ist bisher noch nicht einmal in Planung. Hier wünsche ich mir eine schnelle Direktverbindung mit enger Taktung von Bellevue über Mönkeberg nach Möltenort. Damit könnten viele Pendler aus Laboe und Heikendorf mit Rad + Fähre zu ihren Arbeitsplätzen in Kiel Mitte gelangen und für eine deutliche Entlastung des Verkehr auf dem Ostring sorgen.
Ich bin sehr in Sorge, dass die neu angeschafften Fähren für eine deutliche Ausweitung des Fahrradtransports gar nicht ausgelegt sind. Vorbild sind für mich zum Beispiel die Fähren in Göteborg, die für ein schnelles Beladen über den Bug ausgelegt sind. Das System würde sicher auch auf der geschützten Kieler Innenförde bis Heikendorf/Friedrichsort funktionieren. Ich würde mich freuen, wenn diese Direktverbindung endlich angepackt würde und nicht immer von Tunnels, Seilbahnen und selbstfahrenden Fähren geträumt würde.
Hallo Herr Richter, vielen Dank für Ihre Anmerkungen und entschuldigen Sie, die späte Antwort auf Ihr Fragen zu den Fährverbindungen. Schon jetzt ist es so, dass die F2 häufiger fährt als bisher, außerdem ist hier auch eine kostenlose Fahrradmitnahme möglich. Bei der Fähre F1 gibt es ebenfalls Überlegungen, mittelfristig eine häufigere Taktung umzusetzen. Dasselbe gilt für eine weitere Querverbindung, hier befindet sich die Landeshauptstadt in der Prüfung und auch in Gesprächen mit den zuständigen Kreisen. Bei der Anschaffung neuer Schiffe wird bereits jetzt darauf geachtet, dass sie größere Kapazitäten und einen besseren Zugang für Fahrräder bieten. Die Bespiele aus Göteborg und auch aus Hamburg lassen sich allerdings nicht auf die Kieler Förde übertragen, auf der Förde gelten andere Anforderungen für die Zulassung als beispielsweise auf der Elbe. Wir hoffen, dass Ihre Fragen beantwortet wurden. Freundliche Grüße aus der Stabsstelle Mobilität.
Ich bin ohne Auto und erledige alles mit dem Fahrrad bzw. zu Fuß.
Größere Strecken fahre ich mit dem Zug und wenn ich doch mal ein Auto benötige, nehme ich ein Statt-Auto.
Als Fahrrad-Fahrerin lege ich durchaus die Verkehrsregeln sehr zu meinen Gunsten aus.
Auf meinen Wegen – z.B. der Veloroute 10 – habe ich wenig Erbarmen mit Fußgängern.
In meinem letzten Wohnort war ich mit dieser Fahrweise negativ auffällig.
Hier in Kiel bin ich zutiefst entsetzt über die Art und Weise wie ein großer Teil der Fahrradfahrer das Label „Fahrradfreundliche Stadt“ zu seinen Gunsten auslegt. Im Vergleich dazu bin ich eine echt brave Radlerin!
Ich wohne am Westring – bevor ich aus dem Haus auf den Bürgersteig trete vergewissere ich mich immer erstmal vorsichtig nach beiden Seiten, ob auch kein Kamikaze-Fahrer unterwegs ist. Auf der „alten“ Kiellinie ging ich inzwischen dazu über, den Radlern explizit in den Weg zu laufen – das ist eine Fußgängerzone, in dem auch defensives Fahrradfahren erlaubt ist! Parallel dazu gibt es am Düsternbrooker Weg einen Fahrradweg, da können alle fahren, die es eilig haben.
Wir sind eine Gemeinschaft mit verschieden fitten Menschen, jeder hat das gleiche Recht dazu, draußen unterwegs zu sein und sich auf seinen Wegen sicher zu fühlen. Indem viele Fahrradfahrer kreuz und quer in einem Affenzahn auf den Bürgersteigen, in Fußgängerzonen und Parks unterwegs sind (und dann noch die Autofahrer und Fußgänger angehen, wenn diese völlig korrekt auf ihren Wegen unterwegs sind), schränken sie alle anderen ein.
Damit komme ich sehr schlecht zurecht – das widerspricht meinem Gerechtigkeitssinn und meiner Überzeugung, dass jeder Mensch gleich viel wert ist – egal ob alt oder jung, gesund oder krank, körperlich fit oder beeinträchtigt.
Ich unterstütze gerne Bemühungen, die Verkehrsteilnehmer-Gerechtigkeit in Kiel wiederherzustellen.
„Außerdem will er, dass sich der Radverkehr in Deutschland bis 2030 verdoppelt auf 224 Millionen zurückgelegte Kilometer pro Jahr. Dafür soll der durchschnittliche Deutsche nicht mehr wie heute nur 120 Mal pro Jahr aufs Rad steigen, sondern künftig 180 Mal. Die zurückgelegten Strecken sollen vom im Schnitt 3,7 Kilometer auf dann sechs Kilometer steigen.“
Da kann etwas nicht stimmen. Teilt man 224e6 (gefahrene km) durch 83e6 (Einwohner) ergibt das ca. 3 km pro Kopf und Jahr. Multipliziert man 83e6 mit 180 sowie 6 erhält man ca. 90e9 bzw. 90 Milliarden km pro Jahr.
Führt die Stadt Kiel eigentlich Messungen zur Nutzungsfrequenz auf Abschnitten der Radwege durch? Ich habe so etwas in Skandinavien häufiger gesehen, zusätzlich zur Motivationssteigerung verbunden mit einem Tageszähler.
Überlegenswert wäre wohl auch eine Überdachung auf den Velorouten, könnte oben begrünt und teils mit Photovoltaik ausgestattet werden. Diese böte auch für die launischen Jahreszeiten einen Anreiz, sich nicht vom typischen Schietwedder abhalten zu lassen ;).
Ausführliche Antworten sind wohl nach einem Monat nicht mehr zu erwarten. Wenigstens wurde der Fehler (kommentarlos) korrigiert. 🙂
Entschuldigen Sie die späte Antwort und vielen Dank für Ihre Geduld. Ihren Hinweis haben wir tatsächlich sofort aufgenommen und den Fehler im Text korrigiert. Vielen Dank dafür. Zum anderen Teil Ihres Kommentars können wir Ihnen mitteilen, dass es auf der Veloroute 10 insgesamt drei Zählstellen gibt, die deutlich zeigen, dass das Radverkehrsaufkommen stetig steigt. Diese Zählstellen sind allerdings nicht über ein Display mit Tages- Monats- oder Jahreszähler – wie Sie es aus Skandinavien kennen – vor Ort erkennbar. Im Rahmen des weiteren Ausbaus des Veloroutennetzes in der Landeshauptstadt ist das allerdings geplant, entsprechende Förderanträge wurden bereits gestellt. Überlegungen zu einer Überdachung von Radwegen gibt es zur Zeit bei uns noch nicht. Gegen das „Schietwedder“ hilft wohl am besten regendichte Kleidung 😉
Hallo Frau Steinmetz, leider habe ich Ihre Antwort auf meinen Kommentar vom 17. Mai erst jetzt gelesen. Ihre Antwort kann mich doch nicht ganz zufrieden stellen. Ich bin inzwischen auf beiden Fördelinien gefahren und muss sagen, dass die Mitnahme von Fahrrädern doch sehr umständlich geblieben ist. Weiterhin ist wenig Platz für Fahrräder auf der F1 Richtung Laboe und auf beiden Neubauten gibt es enge Rampen für das Anbordgehen. Auch die Mitnahme von Lastenrädern oder Rädern mit Anhängern ist kaum möglich. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie einmal die Vorschriften konkret benennen können, die es verhindern, dass die Fördeschifffahrt für ein schnelles und komfortables Beladen über den Bug ausgelegt wird. Die Anleger in Falkenstein, Schilksee und Laboe können ja weiter mit den konventionellen Schiffen angefahren werden. Aber auf der Innenförde, wo weniger Wellengang herrscht, können die Schnellverbindungen von Möltenort über Mönkeberg nach Bellevue und Reventlou sowie die F2 in die Schwentine mit dem in anderen Ostseestädten erprobten Bugrampen ausgestattet werden. Erst damit werden die Schiffe zu einer effizienten Verlängerung der Velorouten und können zum Beispiel den Ostring wirkungsvoll entlasten. Aber leider gibt es ja bis heute kein Konzept für die Einbindung der Fördeschifffahrt in den ÖPNV. Für die Einführung einer Trambahn werden langjährige Voruntersuchungen gestartet, für die Fördeschifffahrt werden ohne Konzept einfach neue Schiffe angeschafft.
Sehr geehrter Herr Richter, vielen Dank für Ihre Anregungen.
Auf den neuen Schiffen MS GAARDEN und MS DÜSTERNBROOK wurde bei der Konstruktion explizit darauf geachtet, dass viel mehr Fahrräder als zuvor befördert werden können. Die Platzverhältnisse sind um ein Vielfaches größer und die Unterbringung der Räder vom Handling her komfortabel und sicher gestaltet. Die SFK hat dabei die Erfahrungen der Bauwerft herangezogen, die ähnliche Schiffe für andere Städte wie zum Beispiel Amsterdam gebaut hat. Sicherlich kann man nicht auf alle Fahrradtypen bei der Konstruktion eingehen, aber alle herkömmlichen Räder können gut befördert werden. Fahrräder mit Hänger müssen diesen abnehmen, damit dieser nicht für andere Passagiere ein Hindernis ist.
Die Kritik an den Rampen ist für uns nicht nachvollziehbar, denn diese sind breiter als zuvor und ermöglichen einen sicheren Ein- und Ausstieg für Fahrgäste, für mobilitätseingeschränkte Personen, Fahrgäste mit Kinderwagen und letztlich auch für Fahrradnutzer. Der Beirat für Senior*innen sowie der Beirat für mobilitätseingeschränkte Personen wurden bei der Konzeption mit einbezogen – beide sind zufrieden damit.
Das Beladen über den Bug der Schiffe wurde in der Tat diskutiert. Die SFK hätte sich dem auch nicht widersetzt, aber es hätte den Umbau der kompletten Infrastruktur bedeutet, da die aktuellen Fähranleger nicht dafür geeignet sind. Es ist unrichtig, dass neue Fördeschiffe ohne Konzepte angeschafft werden: Die SFK hat in allen Gremien der Landeshauptstadt umfassend informiert und entsprechende Beschlüsse erhalten. An der Einbindung der Fördeschifffahrt in den ÖPNV bzw. ihre Attraktivitätssteigerung sind seit längerem diverse Akteure beteiligt. Berichterstattungen dazu gab es in der Presse (z.B. im Juni 2021 in den Kieler Nachrichten).