Ein Blick ins Nachbarland
© Ramboll
Kiel plant ein neues ÖPNV-System, das das Busnetz ergänzen und entlasten soll. Auf was ist bei der Planung zu achten? Was sind die Vorteile eines solchen Systems? Und wie kann es die Stadt verändern? Ein Blick in Kiels Partnerstadt Aarhus kann einige der Fragen beantworten.
Die Aarhus Letbane, ein regionales Stadtbahn-System, wurde nach 5 Jahren Planung im Dezember 2017 eingeweiht. Damals wurde allerdings zunächst der städtische Abschnitt in Aarhus eröffnet. Das komplette Netz ist seit April 2019 in Betrieb. Auf insgesamt 98 km Länge verbindet die Letbane die Stadt Aarhus und die umliegenden Gemeinden bis Grenaa und Odder. Zwei verschiedene Zugtypen sind im Einsatz. Das Umland wird durch eine Art Schnelltram angebunden, bei zum Teil 100 km/h Reisegeschwindigkeit. Für den Stadtverkehr in Aarhus wird ein langsameres Tram-Modell verwendet. Optisch sind beide Modelle kaum voneinander zu unterscheiden. Da die Letbane elektrisch angetrieben ist, sind die Züge leiser als die vielen nicht-elektrifizierten Busse und PKWs, aber auch die Verschmutzung durch Autoabgase und Schadpartikel wurde deutlich reduziert. Damit leistet die Stadtbahn einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung von Aarhus‘ Ziel, bis 2030 CO2-neutral zu werden.
Wie in Kiel wurde auch in Aarhus die Planung vom Büro Ramboll betreut. Anders als in Kiel konnten in Aarhus 86 km der Strecke vom bereits existierenden Zugnetz genutzt werden, sodass nur 12 km neu gebaut werden mussten. Außerdem ermöglicht die langgestreckte Form der Stadt entlang des Kattegats den Einsatz von nur zwei Linien.
Das Ergebnis des ganzen Aufwandes lässt sich zeigen. Laut dem Sonderberater im Bürgermeisteramt Aarhus, Christian Lausten Sørensen, wurde die Letbane schon 2019 von knapp 5 Millionen Fahrgäste genutzt. Ein Teil davon fuhr zuvor mit dem Auto, das nun nicht mehr auf den Straßen unterwegs ist, sondern in der Garage steht. Besonders die Berufstätigen nutzen immer mehr die Letbane, weil in den Stoßzeiten die Taktung so hoch ist, dass man einfach zur nächsten Station gehen kann und nur kurz auf die nächste Letbane warten muss. Die Aarhuser*innen können außerdem stolz auf die Pünktlichkeit der Letbane sein, denn nur 2 % der Züge fahren mit Verspätungen.
Auch städtebaulich brachte die Letbane für Aarhus eine Aufwertung. So konnten viele Straßenabschnitte durch den Bau der Letbane samt dazugehöriger Neugestaltung des öffentlichen Raumes von einer deutlichen Attraktivitätssteigerung profitieren. Für den Aarhuser Sørensen ist die Sache klar: „Aarhus hat durch die Letbane ein Großstadtgefühl bekommen.“ Nun bleibt abzuwarten, wie sich der Aarhuser Ortsteil Gellerup entwickeln wird. Das Wohngebiet, das in der Stadtgestaltung in den vergangenen Jahren etwas vernachlässigt wurde, soll bei der geplanten Letbane-Erweiterung bis 2035 angebunden werden. Nach den bisherigen Erfahrungen kann man davon ausgehen, dass die Erweiterung positive Folgen für den Ortsteil haben wird.
Zu Beginn der Planungen wurde das Projekt nicht von allen unterstützt. Christian Lausten Sørensen hält zwei Punkte für enorm wichtig. Zum einen müsse das gesamte ÖPNV-Netz neu gedacht werden. Das heißt auch diejenigen, die nicht an das neue ÖPNV-System angeschlossen werden, sollen auch von einem verbesserten Busangebot profitieren. Zum anderen sollen allen Menschen die Chance gegeben werden, sich in die Planungen einzubringen, um auch einen offenen und kritischen Austausch zu ermöglichen. So könne Akzeptanz für das Projekt geschaffen werden.
In Aarhus schätzen die Meisten inzwischen die ideale Verkehrsanbindung
In Aarhus sind die Meisten inzwischen von der Straßenbahn überzeugt. Dazu gehören auch die Einzelhändler und Kaufleute. Einige befürchteten zunächst Geschäftseinbußen durch die geplanten Baustellen zu erleiden. „Inzwischen schätzen sie jedoch die ideale Verkehrsanbindung“, so der Däne.
In der ersten Zeit nach der Inbetriebnahme kam es zu einigen wenigen Unfällen zwischen Autos und der Letbane. Trotz eigener Trasse und vieler Rasengleise gibt es in Aarhus Punkte, an denen sich die Letbane die Straßen kreuzt. Dort überquert die Letbane den Autoverkehr mithilfe von Ampelschaltungen. Meistens funktioniert das einwandfrei. Die wenigen Unfälle waren ohne Ausnahme auf das Verschulden der beteiligten Autofahrer zurückzuführen, die sich erst an den neuen Verkehrsteilnehmer gewöhnen mussten, so Sørensen. Mit Blick auf die Verkehrskonflikte startete die Stadt Aarhus deshalb eine Kampagne mit dem Titel „Pass auf mich auf! – Ich bin neu im Verkehr“. Nach zwei Jahren in Betrieb ist sich Christian Lausten Sørensen aber sicher „Die Letbane in Aarhus ist ein voller Erfolg!“.
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