Gleitet oder rollt Kiel in die Mobilitätswende?
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Endlich wieder einmal präsent. Endlich mal keine Videokonferenz, sondern alle waren leibhaftig vor Ort mit allen ihren Emotionen und ihrem Fachwissen. Und endlich wieder einmal ein Ort der Begegnung. Und was für einer – der Ostseekai mit direktem Blick auf die Förde, mit Möwengeschrei im Hintergrund und Schiffen in allen Größen und Varianten.
Tram oder Bus? Gleiten oder rollen? Wenn es um das ÖPNV-System der Zukunft in Kiel geht, muss zunächst die Entscheidung gefällt werden, auf welches System Kiel setzen will. Entscheidungshilfen bieten dabei andere Städte. Malmö zum Beispiel. Dort wurde nach dem Geldbeutel entschieden. Ein Bus-Rapid-Transit (BRT) aufzubauen, war finanzieller günstiger als für eine Tram Schienen zu verlegen. Und der „MalmöExpressen“, der auf der alten Buslinie 5 eingerichtet wurde, erwies sich schnell als Erfolgsgeschichte. Kosten für die Infrastruktur: 6,5 Millionen Euro. Gut investiertes Geld, denn in den folgenden fünf Jahren wuchs die Zahl der beförderten Passagiere um 40 Prozent.
Luxemburg hat sich für die Tram entschieden. Trotz der hohen Kosten. „Wir sind fast im Verkehr erstickt“, erklärte Helge Dorstewitz, Directeur Nouvelles Lignes (Direktor für Neue Linien) bei der Verkehrsgesellschaft Luxtram auf der Diskussionsveranstaltung. Er war als Tram-Experte eingeladen, über die Erfahrungen vor Ort zu berichten. Seine Bilanz fällt positiv aus. Mit einer Taktzeit von drei bis vier Minuten – selbst zwei Minuten sind möglich – schafft die „Stater Tram“ im Stoßverkehr eine stündliche Kapazität bis zu 10.000 Menschen und sie hat die meisten Staus und endlose Parkplatzsuchen abgeschafft.
Ob Bus oder Tram – die Erfahrungen in beiden Städten lautet: Es war gut und wichtig, die Mobilitätswende auf den Weg zu bringen. Eingefleischte Autofahrer haben längst den Nutzen eines funktionierenden ÖPNV erkannt. Wer unter der langen Bauzeit gelitten hat, freut sich jetzt über autofreie Innenstädte oder über einen neu aufgeteilten Straßenraum.
Die Erfahrungen aus Malmö und Luxemburg fließen in die Trassenstudie, an der die Landeshauptstadt Kiel gerade arbeitet, mit ein. Aufgabe der Planer ist es nun, anhand einer standardisierten, rund zweijährigen Studie für beide Systeme die geeignetste Streckenführung und ein Netz zu entwickeln. Alle sinnvollen Varianten müssen dabei überprüft werden, aktuellen Gegebenheiten in der Stadt an der Förde untersucht und analysiert werden, und am Ende wird die Studie eine Empfehlung geben – welches ist das beste Netz mit den besten Linien-Korridoren für Kiel – und welches das beste Verkehrsmittel, eine Tram oder ein BRT. Das alles soll Ende 2022 feststehen und eine Entscheidungsgrundlage für die Kieler Ratsversammlung sein. Erst dann wissen wir, ob Kiel wie Malmö entscheidet oder sich lieber an die Luxemburger Variante hält.
Bis dahin wird es noch so einige öffentliche Diskussionsveranstaltungen geben. Hoffentlich können sie alle präsent stattfinden und hoffentlich sind sie alle genauso spannend wie jene am 31. August 2021.
Vielen Dank für die Zusammenfassung der Veranstaltung die Bereitstellung des Videos. Das ist ein wirklich tolles Angebot, dass den Zugang zur Diskussion sehr erleichtert und auch uns als Verein die Nachbereitung erleichtert. Ich würde mich freuen, wenn Sie das auch über die Corona-Zeit hinaus fortsetzen.
Und eine Bitte: man kann bei Youtube Kapitelmarken hinzufügen. Das ist insbesondere bei mehreren Sprechern und einer Veranstaltung mit gegliederter Tagesordnung sehr praktisch. Und bei Youtube schnell und einfach gemacht.
Vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Wir haben diese an die Kolleg*innen weitergegeben und werden schauen, wie sich das Ganze umsetzen lässt.
Ich denke beide Alternativen sind nicht orientiert an den zukünftigen Möglichkeiten von autonomen Systemen.
Es könnte sein dass wir etwa 2030 vor einer Situation stehen die vergleichbar oder ernster ist als die Situation bei der Einstellung der Strassenbahn. Es ist unbedingt nötig die technische Enwicklung beim autonomen Fahren parallel zur Planung der aktuellen Konzepte im Auge zu behalten.
Gegenwärtig wird mit einem Einsatz von eher hochkapazitiven Einheiten geplant. Grund dafür ist etwa der Anteil der Kosten des Fahrpersonals und die Inanspruchnahme des Verkehrsraums.
Kleinere kooperative Einheiten können flexibler auf den Transportbedarf angepasst werden und zudem mit wesentlich kleinerem (oder keinem) Sicherheitsabstand betrieben werden.
Kleinere Einheiten , die ohne Fahrer auskommen , können zudem mit höherer Taktung betrieben werden. Es wird auch möglich sein nur bei Ein/Aussteigewünschen die Haltestellen zu bedienen , was die Durchschnittgeschwindigkeit signifikant erhöhen könnte.
Vielen Dank für Ihren Hinweis. Um den technologischen Fortschritt in der Planung berücksichtigen zu können, sind wir derzeit noch auf keine Antriebstechnologie festgelegt, sondern planen technologieoffen. Die sehr spannenden Fragestellungen des automatisierten Fahrens und auch das autonomen Fahren schließen wir für die Systeme BRT und Tram also keineswegs aus, sondern haben hier die aktuellen Entwicklungen stets im Blick.
Moin,
das Wort Gleiten ist im Zusammenhang mit Schienenfahrzeugen eher ungünstig gewählt, da man damit eine weitere Fortbewegung bei blockierter Achse, beispielsweise im Rahmen einer Notbremsung, bezeichnet. Die Folge ist schlimmstenfalls ein platt gefahrenes Rad.