Eine Mini-Tram für Kiel
© Sven Raschke
Bevor es mit dem Großprojekt Tram in Kiel richtig losgeht, bekommt die Stadt erst einmal ihre alte Straßenbahn zurück. Denn ein Hobbybastler hat die Straßenbahn aus dem letzten Jahrhundert nachgebaut – originalgetreu bis ins letzte Detail.
Bald 40 Jahre ist es her, dass in Kiels Straßen das letzte Mal eine Straßenbahn zu sehen war. Nun ist es zum ersten Mal wieder so weit. Guido Mandorf setzt das Fahrzeug behutsam aufs Gleisstück an der Ecke Holtenauer Straße/Düvelsbeker Weg, dem letzten heute noch verbliebenen Abschnitt der alten Straßenbahnstrecke. Das Modell passt bequem auf die Schiene, das Gras drum herum überragt knapp den Stromabnehmer des Triebwerks. Hobbybastler Mandorf hat die alte Kieler Straßenbahn, Baujahr 1928, originalgetreu nachgebaut. Bei dem Modell, Maßstab 1:87, stimmt jedes Detail – Ergebnis einer Akribie, die er sich durch viele Jahre Leidenschaft angeeignet hat.
Der 52 Jahre alte Düsseldorfer kommt seit vielen Jahren zum Urlaub nach Schleswig-Holstein und Kiel. Bei seinem vorherigen Besuch war er im Stadt- und Schifffahrtsmuseum und hatte sich dort ein Modell von der historischen Landeshauptstadt rund um die damalige Fischhalle angeschaut. Teil des Modells ist auch die Straßenbahn, die noch bis 1985 in Kiel verkehrte. „Dabei ist mir aufgefallen, dass das Straßenbahnmodell nicht dem originalen Kieler Fahrzeug entspricht“, erinnert sich Mandorf.
Der Modellbahnbauer kennt sich aus. Er hat schon zahlreiche Straßenbahnen aus seiner Heimat und auch viele alte Modelle aus Schleswig-Holstein nachgebaut. „Ich bin gebürtig aus Essen, dort gibt es immer noch eine Straßenbahn – daher das Interesse“, sagt er. Seine erste Modelleisenbahn hatte er zur Konfirmation bekommen, sich aber nicht lange mit Fertigbau-Sets zufriedengegeben. Die Modelle, die man kaufen konnte, hat er zersägt, neu zusammengeklebt und so die Modelle der Städte seiner Heimat gebastelt.
„In jeder Stadt sind die Straßenbahnen anders“, sagt Mandorf. Mal unterscheidet sich das Fahrwerk, die Türengröße oder die Zahl der Fenster, mal ist der Aufbau anders gestaltet. Auch das Zusammenkleben im Handel erhältlicher Einzelteile war Mandorf da irgendwann nicht mehr genug, und er begann, von Grund auf ganz eigene Modelle aus Kunststoff auszusägen. „Das war fürchterlich aufwändig“, sagt er.
Einfacher wurde es, als vor gut 10 Jahren Software zum Erstellen von 3D-Modellen und 3D-Druck-Anbieter für Privatkunden erschwinglich wurden. Seitdem designt er seine Bahnen am Rechner und schickt die 3D-Datei an eine Druckfirma. Von der bekommt er Fahrgestell und Wagenkasten zum Ineinanderstecken zurück. Die Räder gibt es fertig aus Modellbausätzen. Nur anmalen muss er die Bahn dann noch.
Das Modell der Kieler Straßenbahn hat Mandorf Ende letzten Jahres fertiggestellt. Als Vorlage dienten ihm alte Fotos und Skizzen, die er in Büchern und auf Modellbaumessen fand. „Die Unterschiede zum Modell aus dem Museum werden wohl niemandem auffallen, der nicht vom Fach ist“, sagt er selbst. Tatsächlich muss man die beiden Exemplare nebeneinander halten, um die abweichenden Details auszumachen: Die Anzahl, Größe und Abrundung der Fenster stimmen jetzt, genauso wie die Öffnungen am Fahrgestell. Der Dachaufbau ist filigraner und auch die Lüftungsklappen des Originals sind zu sehen.
Dass in Kiel bald wieder eine echte Tram fahren könnte, freut den Straßenbahn-Fan: „Das macht absolut Sinn. Ich sehe es ja bei uns in Düsseldorf. Wir haben ein großes Straßenbahnnetz.“ Er selbst wohne mit seiner Familie am Stadtrand. „Ich brauche exakt 20 Minuten, um in die Innenstadt zu kommen. Das ist mit keinem anderen Verkehrsmittel machbar. Und der Fahrkomfort ist besser als beim Bus. Der schaukelt mehr, die Tram fährt deutlich ruhiger. Und sie fährt elektrisch, was gut für den Umweltschutz ist.“
Noch ist nicht entschieden, ob in Kiel bald wieder eine Tram fahren wird. Darüber entscheidet die Ratsversammlung Ende 2022. Bis dahin bleibt der Stadt immerhin Mandorfs Nachbau der alten Straßenbahn. Der Bastler hat sich entschlossen, Kiel zwei Exemplare seiner Mini-Straßenbahn zu spenden. „Wir freuen uns über das große Interesse an der Kieler Stadtgeschichte und das damit verbundene Engagement“, bedankt sich Stadtsprecherin Kerstin Graupner für das Geschenk. Man werde prüfen, wo die Modelle am besten unterkommen.