Nils, du planst die Stadtbahn hier in Kiel, kümmerst dich um Richtlinien, Analysen, bist aber bei Rambøll nicht allein für die Umsetzung des Projektes zuständig. Wie muss man sich die Arbeitsteilung bei euch vorstellen?
Wir arbeiten mit Kolleg*innen aus verschiedenen Disziplinen, etwa aus dem Bauingenieurwesen, Verkehrsplanung, Geographie, Städteplanung, Maschinenbau oder Projektmanagement. Nur so lassen sich die komplexen Herausforderungen an eine interdisziplinäre Verkehrsplanung der Zukunft bewerkstelligen. In der Umsetzung der Stadtbahn hier in Kiel kommt hinzu: Wir brauchen Tempo! Das haben wir zusammen mit den Planer*innen der Stadt Kiel bereits zu Beginn des Projektes festgestellt. Denn klar ist: Der Klimawandel duldet keinen Aufschub. Hinzukommt die hohe Verkehrsbelastung heute. Beides verlangt eine deutliche Beschleunigung bei der Planung. Wir arbeiten deshalb hier im Büro der Stabsstelle vor Ort, fünf Tage die Woche, manchmal mit einem festen Team, oft auch in wechselnder Konstellation. So ist der Austausch intensiver. Zudem ist die Anbindung an die Stadtverwaltung hier vor Ort enger. Mit den Kolleg*innen von der Stabsstelle diskutieren wir wöchentlich die nächsten Planungsschritte. Mit Kolleg*innen der anderen Ämter haben wir regelmäßige Workshops, um die verkehrlichen Planungsvorschläge in den Streckenabschnitten gemeinsam zu diskutieren. So können sie ihre Expertise einbringen. Das verbessert die Abstimmung ebenfalls. Auch arbeiten wir fast komplett papierlos. Das ist schon besonders, macht aber auch die beschleunigte Planung notwendig.
Bei der Planung der Stadtbahn sind wir jetzt in der Vorplanung. Für jeden Abschnitt werden bis zu drei Variantenentwürfe erstellt. Was bedeutet das?
Den Straßenraum kann man auf verschiedene Art und Weise umgestalten. Die Trasse der Straßenbahn kann man zum Beispiel mittig oder seitlich führen. Ein Radweg kann als Einrichtungs- oder Zweirichtungsradweg geplant werden. Einrichtungsradweg heißt, es gibt einen Radweg auf jeder Seite. Beim Zweirichtungsradweg wird der Radverkehr auf einer Straßenseite ohne Seitenwechsel geführt. Oder es gibt eine Variante mit Grünstreifen und weiteren Parkflächen. Soll heißen: Es gibt viele Möglichkeiten der Straßenraumgestaltung, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen entwerfen und diskutieren wir jetzt. Das ist auch der Unterschied zur vorherigen Planungsphase. Vor Fertigstellung der Trassenstudie ging es darum, eine mögliche Streckenführung der Stadtbahn in Kiel zu diskutieren und festzulegen. Jetzt geht es darum, zu diskutieren und zu planen, wie der Straßenraum genau aussehen kann. Dazu soll die Vorzugsvariante, die wir geplant haben, vertieft werden. Es gibt 11 Streckenabschnitte des Gesamtnetzes von 35,8 km Länge. Für jeden Abschnitt werden bis zu drei Varianten der Führung im Straßenraum entwickelt.
„Vor Fertigstellung der Trassenstudie ging es darum, eine mögliche Streckenführung der Stadtbahn in Kiel zu diskutieren und festzulegen. Jetzt geht es darum, zu diskutieren und zu planen, wie der Straßenraum genau aussehen kann.“
Was ist bei der Stadtbahnplanung besonders im Vergleich zu anderen verkehrstechnischen Projekten?
Bleibt ein Baum erhalten? Der Parkplatz und die Haltestellen? Wo kann ich Rad fahren? Was ist mit dem Autoverkehr? Ist es gegebenenfalls notwendig in Grundstücke Dritter einzugreifen, was wir natürlich vermeiden wollen. Grundsätzlich geht es bei den verkehrstechnischen Projekten immer darum, den zur Verfügung stehenden Raum innerhalb einer Stadt neu zu bewerten. Sowohl verkehrlich als auch städtebaulich und landschaftsplanerisch. Dafür müssen alle Planungsfaktoren gegeneinander abgewogen werden. Nur ein Beispiel: Die Werftstraße ist gekennzeichnet durch Schwerlastverkehr, dadurch ist eine besondere Mindestbreite von vier Metern Fahrspur für den Autoverkehr Voraussetzung. Außerdem liegt die Straße direkt am Hang und wird gerade zur Premiumradroute ausgebaut. Das schränkt die Vielfalt bei der Planung ein. Bei der Stadtbahn müssen wir, wie bei allen verkehrsplanerischen Projekten, natürlich auch weitere technische und juristische Grenzen bedenken. Zum Beispiel den Lichtraumbedarf der Stadtbahn. Die Fahrzeuge müssen sich sicher bewegen können, sodass seitlich Platz bei Bebauungen, Gegenständen und Pflanzungen freigehalten werden muss. Man sieht: Verkehrstechnische Projekte bedingen immer eine komplexe Kompromissfindung, weil man mehr Interessen, mehr Richtlinien und Abwägungen zusammenbringen muss. Das ist auch das Besondere im Vergleich zu anderen Verkehrsprojekten. Umso wichtiger ist es, den Kompromiss in diesem sehr intensiven Prozess wertzuschätzen.
„Die Bürger*innen sind die Experten in ihrem Stadtteil und kennen daher Details, worauf wir bei der Planung achten sollen. Die Ideen und Wünsche nehmen wir dann für den weiteren Prozess auf und prüfen diese.“
Wie können sich die Bürger*innen denn einbringen?
Wir haben uns dafür entschieden, die Bürger*innen umfassend zu beteiligen, so wie schon in der Trassenstudie. Was bei einem so komplexen Projekt wie der Stadtbahn immer heißt, dass wir erst einmal umfassend über den Stand der Planung informieren. Dazu gehört auch, dass wir die bis zu drei geplanten Varianten der Streckenführung in jedem der Abschnitte mit den Bürger*innen diskutieren. Sie sind die Experten in ihrem Stadtteil und kennen daher Details, worauf wir bei der Planung achten sollen. Die Ideen und Wünsche nehmen wir dann für den weiteren Prozess auf und prüfen diese. Eingaben nehmen wir jederzeit auch per E-Mail oder auf den Trassenspaziergängen entgegen. Daneben gibt es einen Online-Dialog. Der Zeitpunkt zur Beteiligung ist genau richtig, weil wir mit Zwischenständen der Entwurfsplanung und nicht mit finalen Konzepten an die Öffentlichkeit gehen. Der Aufwand verlangt auch uns einiges ab. Aber ich denke, er lohnt sich. Es schafft Vertrauen und sorgt für eine bessere Grundlage bei der politischen Entscheidungsfindung. Die Stadtbahn soll eine Stadtbahn für alle Kieler*innen sein.