Erste Sitzung des Mobilitätsbeirats.
© Landeshauptstadt Kiel
Am 31. August fand die konstituierende Sitzung des Beirats für Mobilitätswende statt. Das Gremium soll künftig die Vorarbeiten aus dem Mobilitätsforum und dem Fahrradforum zusammenführen und öffentlich zur Diskussion stellen.
In Präsenz, aber mit hygienebedingtem Abstand, traf sich der Beirat für Mobilitätswende bei strahlendem Sonnenschein im Ostseekai am Düsternbrooker Weg. Die Location war durchaus symbolträchtig, denn direkt in Blickrichtung der Teilnehmenden lag eines der großen Kreuzfahrtschiffe, die vor allem bei Klimaschützer*innen in der Kritik stehen. Draußen vor der Tür: vorwiegend Parkplätze für Autos und eine Straße, auf der sich der dichte Feierabendverkehr am idyllischen Schloßgarten und an der strahlend blauen Förde vorbei drängte. Fahrradfahrende mussten sich am Ostseekai einen Platz am Zaun suchen, um die Räder sicher abzustellen. Schon dieses Szenario machte deutlich, dass in Sachen Verkehrswende noch viel zu tun ist.
Das Gremium, bestehend aus verschiedenen Akteur*innen der Verkehrsverbände, Wirtschaft und Politik bis hin zu Umwelt- und Naturschützer*innen, ist sich im Ziel einig: Es muss sich etwas verändern. Weniger Staus, mehr Aufenthalts- und Lebensqualität in der Stadt, weniger Unfälle und eine gerechtere Aufteilung des Verkehrsraumes – dafür wollen wir gemeinsam Lösungen finden. Große Erwartungen liegen dabei auf der Stadtbahn, die von der Stadtverwaltung als „hochwertiges ÖPNV-System“ bezeichnet wird, denn noch ist nicht klar, ob eine schienengebundene Tram oder ein BRT-System entstehen soll.
Gerade bei der Mobilitätswende gilt das Motto: „Der*die Teufel*in steckt im Detail.” Das zeigt sich nicht nur in Kiel, sondern auch in vielen anderen Städten. Erfolg und Misserfolg hängen oft von der richtigen Betätigung der richtigen Stellschrauben zur richtigen Zeit ab, wie das Beispiel Paris eindrucksvoll zeigt. Verkehrsexpert*innen schlagen hier ein Handeln nach den sogenannten Push- und Pull-Faktoren vor. Während das gewünschte Mobilitätsverhalten immer weiter ausgebaut und attraktiver gemacht wird, werden die zu reduzierenden Verkehrsarten Schritt für Schritt eingeschränkt.
Es gelte, die Kieler*innen von neuen Mobilitätsarten zu begeistern und zu zeigen, welche Vorteile diese gegenüber anderen Bewegungsmitteln haben, zum Beispiel in Bezug auf die Lebensqualität.
Gleich zu Beginn der Diskussion stellte Achim Heinrichs, Vorsitzender des Fahrradforums, einen der zentralen Knackpunkte im Verkehrsbereich dar. Menschen müssten ihre Gewohnheiten ändern, so Heinrichs. Und diese Umgewöhnung sollte strategisch und vor allem respektvoll angegangen werden, denn ohne die Menschen gehe es nicht. Es gelte, die Kieler*innen von neuen Mobilitätsarten zu begeistern und zu zeigen, welche Vorteile diese gegenüber anderen Bewegungsmitteln haben, zum Beispiel in Bezug auf die Lebensqualität. Ebenso sei die Förderung von innovativem Denken wichtig, um neue Möglichkeiten in den Blick zu nehmen, statt sich von den bisherigen Mobilitätsgewohnheiten blind machen zu lassen.
Darum plädierte Jochen Schulz vom Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein dafür, sich als Beirat gute Beispiele aus anderen Städten anzusehen und damit zu zeigen, dass alle Verkehrsteilnehmenden von der Mobilitätswende profitieren könnten. Und Eyke Bittner vom Tiefbauamt der Landeshauptstadt Kiel wies darauf hin, dass die Skandinavier*innen zeigten, dass Verkehr noch innovativer gedacht werden müsse, als dies in Kiel bisher der Fall sei.
Ohne eine Veränderung der Haltung und ohne innovative Ideen lassen sich die vielen Herausforderungen in der Kieler Verkehrspolitik nicht meistern. Vor allem die Flächenkonkurrenz sei ein Problem, auf das der Vorsitzende des Mobiltätsforums, Max Dregelies (SPD), hinwies. Wenn Nah- und Radverkehr ausgebaut würden, müsse auch der entsprechende Platz zur Verfügung stehen. Hier gerate der Blick schnell auf die parkenden Autos, die große Teile der Flächen blockierten und perspektivisch in Parkhäuser verlegt werden müssten, soweit sie nicht generell durch Reduktion verschwänden. Immerhin sieht der Masterplan Mobilität eine Reduktion von 40 Prozent beim motorisierten Individualverkehr vor. Das hieß für Ingo Scheuse vom Unternehmensverband Kiel auch, dass sich der Beirat mit den Pendlerströmen aus den Umlandgemeinden beschäftigen müsse, um so mit einer Kombination aus P+R-Parkplätzen und dem Ausbau des Nahverkehrs eine Reduktion zu erreichen. Dies könne laut Claudia Riemenschneider vom ADFC bis hin zu einer neuen Wohnungspolitik führen, um so das Einpendeln der Arbeitnehmer*innen ganz zu vermeiden.
Nicht zuletzt müssten die Bedürfnisse aller Menschen generationsübergreifend berücksichtigt werden, damit sich alle Menschen barrierefrei und sicher durch den Kieler Stadtverkehr bewegen können. Dazu gehöre unter anderem eine bessere Trennung der einzelnen Verkehrsarten auf der Straße.
Obwohl es sich um die erste Sitzung des Beirats für Mobilitätswende handelte und somit noch kein Thema im Detail diskutiert wurde, machte die Diskussion deutlich, dass es diese Plattform braucht, um die verschiedenen Perspektiven aller Kieler*innen in Sachen Verkehr zu berücksichtigen. Ein „Weiter so“ ist für niemanden eine Alternative, nicht nur angesichts der Klimakrise, sondern auch für mehr Lebensqualität, für eine höhere Sicherheit und für eine bessere Aufteilung der Verkehrsflächen für alle. In der nächsten Sitzung, die voraussichtlich im Dezember stattfindet, wird sich der Beirat mit den Themen „Parken“ und „Stadtbahn“ vertiefend auseinandersetzen.