Street Art vom NOK bis zur Schwentine
© Sven Raschke
Legale Graffiti-Kunst findet sich überall in Kiel. Besonders gut kann man die mit dem Fahrrad entdecken. Zum Beispiel auf einer 18 Kilometer langen Radtour vom NOK bis zur Schwentinebrücke. Von immer wieder wechselnder Street Art entlang der Veloroute bis zu denkmalgeschützter Graffiti in Gaarden gibt es dabei jede Menge zu bewundern.
Länge: 18 Kilometer
Stationen: 26
Dauer: 3 bis 5 Stunden
Kunst im öffentlichen Raum – das sind nicht nur Skulpturen und Denkmäler auf Plätzen und in Parks. Dazu gehört auch Graffiti. Bei vielen der eilig hingeschmierten Botschaften an Häusern und Tunnelwänden hält sich der Wert fürs Stadtbild in Grenzen. In Kiel gibt es aber eine ganze Reihe von Spots, an denen hochwertige – und ganz legale – Street Art bewundert werden kann. Viele dieser Orte, lassen sich besser als mit jedem anderen Verkehrsmittel mit dem Rad besuchen. Warum also nicht den nächsten Ausflug zu einer Graffiti-Radtour durch Kiel machen: vom Kanal im Westen bis zur Schwentine im Osten.
Mithilfe der Karte könnte ihr euch quer durch Kiel entlang der spannendsten Street Art navigieren. Wenn ihr die einzelnen Stationen anwählt, seht ihr eine Beschreibung der jeweiligen Werke.
Los geht’s am Nord-Ostsee-Kanal am nördlichen Ende der Schleusenstraße. Die beiden Trafo-Stationen neben der Bushaltestelle wurden im Auftrag der KVG besprüht. Solche Auftragsarbeiten von öffentlichen Betrieben lassen sich überall in Kiel etwa an Trafohäusern und Verteilerkästen bewundern. Sie verschönern nicht nur die ansonsten recht langweiligen Zweckbauten, sondern beugen auch der Verunstaltung durch weniger aufwändige illegale Straßenkunst vor – und sind so zahlreich, dass sie unmöglich alle in diese Route mit aufgenommen werden konnten. Am besten überall in Kiel die Augen offenhalten!
Über die Schleusenstraße und die Holtenauer Straße geht es weiter durch die Grünanlage. Noch bietet hier der sandige Weg durch die Natur nicht den optimalen Untergrund für Radfahrer. In Zukunft aber soll durch den Park die Verlängerung der Veloroute 10 verlaufen, die, vorbei am Holstein-Stadion, das nächste Zwischenziel ist.
Entlang der Vorzeige-Radroute Kiels, sind die zahlreichen Graffiti-Kunstwerke nicht zu übersehen. Wenn ihr nicht ganz so viel radeln wollt, könnt ihr euch auf die gut zwei Kilometer von den Uni-Sportstätten bis zum Kronshagener Weg beschränken und bekommt reichlich Street Art geboten. Hier auf ein bestimmtes Motiv hinzuweisen, macht wenig Sinn, denn – typisch für Street Art – wechseln die Motive häufig.
Eine Ausnahme aber bildet nahe der Schauenburgerstraße die Friedenstaube auf blau-gelbem Hintergrund, den Farben der Ukraine. Einer der beteiligten Künstler ist Simon „Monsdeer“ Banger. Die Arbeiten des 28-jährigen Kieler Graffiti-Künstlers sind an vielen der Routenpunkte zu bewundern, und viele der Tipps für die Graffiti-Radtour kommen von ihm. Normalerweise, so Simon, würden die Arbeiten entlang der Veloroute ziemlich schnell von anderen Künstlern übersprüht. Je beeindruckender aber das Werk und dessen Botschaft, desto länger könne das dauern.
Die besprayten Mauern und Wände entlang der Veloroute 10 sind übrigens allesamt im Privatbesitz. Die Nutzung durch die Künstler ist mit den Besitzern abgesprochen.
Den Weg hinüber zur östlichen Fördeseite könnt ihr etwas abkürzen, indem ihr die Veloroute 10 bereits an der Schauenburgerstraße verlasst und die Wandkunst in der Hansastraße anschaut. Vorbei am Schrevenpark, nehmt ihr das regelmäßig wechselnde Graffiti an der Wand des Stadtwerke-Heizkraftwerks mit – und an der Hörn eine weitere Trafostation mit maritimem Motiv, bevor es über die Hörnbrücke Richtung Gaarden geht. Wenn die Klappbrücke gerade oben ist oder der Fußgängerverkehr sehr dicht, seid ihr eventuell schneller über den Landweg, vorbei am Hörncampus.
Wer dagegen die Route nicht abkürzt, der Veloroute 10 bis zu ihrem Ende folgt und über die Rendsburger Landstraße den Theodor-Heuss-Ring nicht scheut, der kann hier eines von Kiels spektakulärsten Graffitis bestaunen. Autofahrer kennen das Natur-und-Bienen-Motiv an der 100-Quadratmeter-Häuserfassadenfläche seit einigen Jahren. 2019 wurde es von mehreren Künstlern im Rahmen eines Nachhaltigkeits-Projektes erschaffen. Um das riesige Bild ausgiebig zu betrachten, reichen die paar Sekunden des Vorbeirauschens im Pkw allerdings nicht. Radfahrer und Fußgänger sind da klar im Vorteil.
Weiter den Theodor-Heuss-Ring entlang, ab über den Ostring und anschließend die Preetzer Straße erreicht ihr den Skatepark Gaarden. Hier hat die Stadt eigens für Sprayer mehrere Wände aufgestellt. Es ist der einzige offizielle Ort in Gaarden, an dem sich jeder Sprayer nach Belieben ausprobieren darf. Auch im Skatepark gilt: Die Motive wechseln häufig und machen den Besuch immer wieder interessant.
Jetzt geht es ins Herz von Gaarden-Ost. Kein anderer Stadtteil Kiels ist so reich an hochwertigen Graffitis. Dieser Abschnitt ist mehr noch als die Veloroute 10 einen Besuch für sich wert, denn wenn ihr alle Graffitis sehen wollt, könnt ihr locker einen Nachmittag einplanen. Dazu nehmt ihr am besten die „Street Art Map Gaarden“ zur Hand. Den Graffiti-Stadtteilführer hat das Büro Soziale Stadt Gaarden herausgegeben und stellt darin die prächtigsten Straßenkunstwerke vor.
Gerade rund um den Vinetaplatz, wo es besonders viel zu sehen gibt, ist der Untergrund mit seinem Kopfsteinpflaster leider nicht besonders radfahrerfreundlich. Wenn ihr hier mehr Zeit verbringen wollt, stellt ihr das Rad am besten ab und erkundet die Gegend zu Fuß. Augen auf dabei, denn selbst der Stadtteilführer listet längst nicht alles auf.
Diese Radroute führt euch an einer Auswahl der Auswahl vorbei. Der Iltisbunker etwa ist bereits seit 1989 auf 600 Quadratmetern mit dem Werk „Revolution und Krieg“ von Shahin Charmi geschmückt. Darauf abgebildet sind die Ereignisse von November 1918 bis in den Zweiten Weltkrieg. Ungewöhnlich für ansonsten so vergängliche Street Art: Das mittlerweile von der Witterung reichlich mitgenommene Bild ist denkmalgeschützt.
Viele der Werke in Gaarden-Ost beschäftigen sich mit maritimen Themen: Meer, Möwen, Boote und Tiefsee. In der Elisabethstraße ist Jimi Hendrix, der 1967 den Stadtteil besuchte, an einer Häuserfassade „verewigt“. Und an der Kreuzung Kaiserstraße/Medusastraße haben die Ladenbesitzer ihre Fassaden thematisch passend zu ihrem Angebot besprühen lassen. Wie hier sind überall in Gaarden-Ost die besprühten Flächen überwiegend im Privatbesitz und durch die Initiative der Besitzer von Künstlern verschönert worden. Das Konzept funktioniert: Anders als die nicht professionell besprühten Wände im Stadtteil bleiben die Graffiti-Kunstwerke von illegalem Geschmiere weitgehend verschont.
Wenn ihr euch an der Graffiti-Kunst in Gaarden sattgesehen habt, folgt noch die letzte Station, die zwar etwas abseits liegt, aber den Weg lohnt. Denn die Schwentinebrücke bildet das Zentrum für Kiels legale Street-Art-Szene. Graffiti-Künstler Simon „Monsdeer“ Banger kann das bestätigen. Für ihn ist die Schwentinebrücke der spannendste Ort in ganz Kiel in Bezug auf Graffiti, denn: „Die Brückenpfeiler bieten die größten Flächen – und die Motive wechseln sehr oft.“ Wie im Skatepark, hat die Stadt auch an der Schwentinebrücke die Flächen für jeden, der sich austoben möchte, freigegeben.
Um vom vorletzten Routenpunkt in Gaarden-Ost aus die Schwentinebrücke zu erreichen, fahrt ihr am besten über die Werftstraße, die in die Schönberger Straße übergeht und euch auf die andere Seite der Schwentine zum Ziel führt. Bevor ihr die Schwentine überquert, könnt ihr die Graffiti aber auch erst einmal von der Südseite aus betrachten.
Noch ist die Fahrradfreundlichkeit auf diesem letzten Tourabschnitt verbesserungswürdig. Aber voraussichtlich noch in diesem Jahr wird mit der Aufwertung der Radstrecke entlang der Werftstraße begonnen. Geplant ist eine „Fahrrad-Autobahn“, wie Uwe Redecker, der Radverkehrsbeauftragte der Stadt, sagt: ein vier Meter breiter Radweg nebst abgetrenntem zwei Meter breitem Gehweg. „Das wird das neue Rückgrat des Radverkehrsnetzes auf dem Ostufer“, so Redecker, im Komfort zu vergleichen mit der Veloroute 10.